Trickreiche Partnerfindung: Ausstülpbare Pheromondrüse bei Gottesanbeterin entdeckt
Zoologische Staatssammlung München
Gottesanbeterinnen sind bizarre, räuberische Insekten, aber viele Aspekte ihrer Biologie sind noch unerforscht. Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum und der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) haben nun entdeckt, dass Weibchen einer südamerikanischen Art ein ausstülpbares Organ besitzen, um Männchen mittels Pheromonen anzulocken. Unter den weltweit mehr als 2.500 Arten von Gottesanbeterinnen war eine derartige Struktur bisher unbekannt. Die Studie ist nun im Journal of Orthoptera Research erschienen.
In den Regenwäldern Amazoniens warten nicht nur unzählige neue Arten, sondern auch völlig unbekannte Verhaltensweisen auf ihre Entdeckung. Im Urwald von Peru stießen deutsche Forscher auf ein unerwartetes Phänomen bei einer bizarren Gottesanbeterin: Die Weibchen der Alien- oder Drachenmantis (Stenophylla lobivertex) stülpen nachts ein Y-förmiges Organ am hinteren Rücken aus, das offenbar spezielle Duftstoffe (Pheromone) ausströmt, um Männchen anzulocken. Doch zunächst war völlig unklar, dass es sich hier um ein Werkzeug zur Partnerfindung handelt. „Als ich im Schein der Taschenlampe die madenartigen Gebilde sah, die hinten aus dem Rücken der Gottesanbeterin herausschauten und sich dann schnell zurückzogen, dachte ich zunächst an Parasiten, die das Tier von innen her auffressen, denn das passiert bei diesen Insekten gar nicht selten“, sagt Frank Glaw, Reptilien- und Amphibienforscher von der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM), der das ungewöhnliche Phänomen entdeckte.
Erst das Wissen von Spezialisten für diese Insektengruppe und Literaturrecherchen führten zur Lösung des Rätsels: Zwar hatten auch die Experten noch keine derartigen Strukturen bei Gottesanbeterinnen gesehen, aber es war bereits von anderen Fangschreckenarten bekannt, dass vor allem unbefruchtete Weibchen an der gleichen Körperstelle (zwischen dem 6. und 7. Tergit) Pheromone aus einer Drüse ausschütten, um Männchen anzulocken. Bei dem bis zu 6mm langen, Y-förmigen Organ handelt es sich offenbar um eine weiterentwickelte Pheromondrüse, die mit Hilfe von Hämolymphe ausgestülpt und bewegt werden kann.
„Wir vermuten, dass Stenophylla lobivertex die Pheromone mit dem ausstülpbaren Organ effizienter und gezielter verströmen kann als andere Gottesanbeterinnen“, sagt Christian J. Schwarz, Entomologe an der Ruhr-Universität Bochum. „Das kann besonders bei seltenen Arten mit geringer Populationsdichte sehr wichtig sein, damit sich die Geschlechter zuverlässig finden.“ Stenophylla lobivertex ist eine seltene Art, die versteckt in den Regenwäldern Amazoniens lebt. Das sehr bizarr anmutende und gut getarnte Tier wurde erst vor 20 Jahren entdeckt, bisher nur wenige Male gefunden und paart sich offenbar nur nachts im Schutz der Dunkelheit.
Publikation:
Schwarz, C. J. & F. Glaw (2021): The luring mantid: Protrusible pheromone glands in Stenophylla lobivertex Lombardo, 2000 (Mantodea, Acanthopidae). – Journal of Orthoptera Research 30(1): 39–41. https://doi.org/10.3897/jor.30.55274
Kontakt:
Dr. Frank Glaw
SNSB – Zoologische Staatssammlung München
Münchhausenstraße 21, 81247 München
Tel.: 089/8107114
E-Mail: glaw@snsb.de
Video:
- https://youtu.be/LmGLwzsUosk (deutsch). Video: Timon Glaw
- https://youtu.be/DOlmjIaW-Y8 (englisch). Video: Timon Glaw