Neuer Erfolg des DNA-Barcoding: Feldwespen in Europa mit integrativer Taxonomie erstmalig umfassend bearbeitet

Zoologische Staatssammlung München

Wissenschaftlern der Zoologischen Staatsammlung München ist es gelungen, die Feldwespen von Europa und dem Mittelmeerraum vollständig zu revidieren und die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Arten aufzuklären. Dabei setzten sie erstmalig auf die sogenannte integrative Taxonomie, in dem sie die klassischen Methoden der morphologischen Untersuchung mit modernen Methoden des genetischen DNA-Barcoding kombinierten. Im Rahmen dieser Untersuchung konnten die Forscher außerdem eine für die Wissenschaft neue Art aus Marokko identifizieren. In dieser bisher gut untersuchten Wespengattung ist dies eine kleine Sensation.

Die Münchener Forscher untersuchten mehr als 260 Wespenexemplare aus dem gesamten Untersuchungsgebiet mit Hilfe der genetischen Bestimmungsmethode des DNA- Barcoding und konnten auf diese Weise alle Arten identifizieren und ihre genaue Verbreitung feststellen. Aufgrund der genetischen Zuordnung konnten sie außerdem Unterscheidungsmerkmale für die Arten herausarbeiten und einen vollständig neuen Bestimmungsschlüssel erstellen.

Genauer untersucht wurden die Feldwespen der Gattung Polistes aus der Familie der Faltenwespen. Diese sind mit 17 Arten in Europa und im Mittelmeerraum sowie mit vier Arten in Deutschland vertreten. 13 Arten besitzen eine soziale Lebensweise, bei der die überwinternden Königinnen im Frühjahr einjährige Nester mit Völkern bis zu 200 Arbeiterinnen gründen. Vier Arten leben parasitisch und besitzen keine Arbeiterinnen. Die Parasitenkönigin überfällt dabei ein Wirtsnest einer anderen Polistes-Art, dominiert die Wirtskönigin und sorgt dafür, dass deren Arbeiterinnen nur ihre eigenen Larven aufziehen.

Obwohl Polistes seit mehr als 200 Jahren in Mitteleuropa gut bekannt ist, war die Kenntnis der Arten im Mittelmeerraum bisher unzureichend. Die Bearbeitung wurde erschwert, weil sich viele Arten nur geringfügig voneinander unterscheiden und zudem eine hohe Variabilität in den Farbmustern aufweisen.

Die größte Überraschung der Forschungsarbeit ergab die genetische Analyse eines Tiers aus dem Hohen Atlas-Gebirge in Marokko: Es handelt sich dabei um eine neue Feldwespen-Art, die in ihrer Verbreitung auf die Gebirge in Marokko beschränkt ist. Die Wissenschaftler gaben ihr den Namen Polistes maroccanus. Des Weiteren stellte man fest, dass die im Süden weit verbreitete Sammelart Polistes gallicus eigentlich in insgesamt drei eigenständige Arten aufgetrennt werden kann.

Das gleiche sehr überraschende Ergebnis betrifft eine auch bei uns heimische Wespenart: Die Genanalyse der in Deutschland sehr häufigen Haus-Feldwespe Polistes dominula gibt Hinweise darauf, dass diese Art in Wirklichkeit aus bis zu drei verschiedenen und bisher unerkannten Arten besteht.  Mindestens zwei davon kommen auch in Deutschland vor. Dieser Fall soll durch weitere Untersuchungen geklärt werden.

Die integrative Taxonomie ist ein neuer Forschungsansatz, bei dem verschiedene wissenschaftliche Methoden kombiniert werden, um Arten zuverlässig zu unterscheiden. Insbesondere das DNA-Barcoding hat sich dabei als eine wertvolle Technik für das Identifizieren von Arten erwiesen, die mit herkömmlichen Methoden bisher nur schwer oder gar nicht bestimmt werden konnten. Beim DNA-Barcoding wird ein bestimmter Genabschnitt sequenziert, der sich bei fast allen Arten weltweit unterscheidet. Er wird in einer Online-Datenbank hinterlegt und dient künftig zur Identifizierung von Arten. Die Methode erinnert dabei an die Barcodes, wie sie sich zum Beispiel auf Lebensmitteln im Super-markt finden und die an der Kasse eine schnelle und fehlerfreie Identifizierung erlauben.

Das genetische Barcoding wird in einem weltweiten Forschungsprojekt unter Federführung von Paul Hebert, Forscher an der Universität in Guelph in Kanada durchgeführt. Die Zoologische Staatsammlung München (ZSM) ist Projektpartner und an der Erstellung von Barcodes der deutschen Tierarten beteiligt. Im aktuellen Feldwespenprojekt arbeiteten neben Forschern der ZSM außerdem Wissenschaftler aus der Schweiz sowie aus den Niederlanden mit.

Publikation
Schmid-Egger C, van Achterberg K, Neumeyer R, Morinière J, Schmidt S (2017) Revision of the West Palaearctic Polistes Latreille, with the descriptions of two species – an integrative approach using morphology and DNA barcodes (Hymenoptera, Vespidae). ZooKeys 713: 53-112. https://doi.org/10.3897/zookeys.713.11335

Kontakt
Dr. Stefan Schmidt
Zoologische Staatssammlung München (SNSB-ZSM)
Münchhausenstr. 21, 81247 München
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