Paviane in Gefangenschaft im Alten Ägypten: Erkenntnisse aus einer Mumiensammlung

Skelettpathologien bei altägyptischen Pavianmumien, die bei archäologischen Ausgrabungen nahe Theben geborgen wurden, lassen auf Gesundheitsprobleme infolge inadäquater Ernährung und chronischen Mangels an Sonnenlicht schließen. Ein internationales Team um den belgischen Archäozoologen Prof. Wim van Neer vom Royal Belgian Institute of Natural Sciences hat rund 3.000 Jahre alte Pavianmumien aus dem Alten Ägypten untersucht. Offenbar litten die Tiere an diversen Stoffwechselerkrankungen, verursacht durch schlechte Haltungsbedingungen. An der Studie beteiligt war auch SNSB- und LMU-Paläoanatom Prof. Joris Peters, Direktor der Staatssammlung für Paläoanatomie München. Prof. Peters ist Spezialist für Skeletterkrankungen bei Tieren und half bei der Beurteilung der verschiedenen sogenannten Paläopathologien bei diesen in Gefangenschaft lebenden Primaten. Die Studie erschien nun in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift PLoS ONE.

Über ein Jahrtausend lang, vom 9. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr., verehrten und mumifizierten die alten Ägypter zahlreiche Tierarten für religiöse und rituelle Zwecke. In den unterirdischen Nekropolen Ägyptens wurden mehrere zehn Millionen Tiermumien beigesetzt, die zeigen, dass die Ägypter den heiligen Tieren damals große Aufmerksamkeit schenkten. Vielerorts hat man Hunde, Katzen, heilige Ibisse und Greifvögel verehrt, aber es gab auch Bestattungsplätze für Rinder, Krokodile und Fische. In manchen Grabstätten finden sich sogar Exoten wie Paviane, Berberaffen und grüne Meerkatzen, die in Ägypten nicht heimisch waren, und über deren Herkunft und Haltung bisher nicht viel bekannt war.

Die Forscher:innen um Wim van Neer untersuchten die Skelettreste von 36 Pavianmumien aus Gabbanat el-Qurud, einem altägyptischen Tierfriedhof etwa 6 km entfernt von der antiken Stadt Theben, im sogenannten Tal der Affen am Westufer von Luxor gelegen. Radiokarbondatierungen im Rahmen der Studie ergaben, dass die Tiere vor etwa 3.000 Jahren gelebt haben. Die Mumienreste stammen aus dem Musée des Confluences, dem ehemaligen Musée d’Histoire naturelle de Lyon.

Schlechte Haltungsbedingungen

Die meisten der untersuchten Affen befanden sich zu ihren Lebzeiten in sehr schlechtem Gesundheitszustand. Die Knochen der Tiere zeigen Läsionen, Verformungen und andere Anomalien.

„Wir führen diese Skelettveränderungen auf die schlechten Haltungsbedingungen der Paviane in ihrer Gefangenschaft zurück. Chronischer Sonnenlichtmangel sowie schlechte Ernährung versorgten die Tiere offenbar nicht mit ausreichend Kalzium und Vitamin-D und verursachten schwere Stoffwechselstörungen, die ihre Skelettentwicklung erheblich beeinträchtigten. Vermutlich wurden die Tiere – als gute Kletterer und eher aggressive Zeitgenossen – in mit hohen Mauern umgebenen, überdachten Gehegen gehalten, ohne direkten Zugang zu Sonnenlicht“, interpretiert Prof. Joris Peters die Ergebnisse.

„Beinahe alle Tiere der Pavianpopulation aus Gabbanat el-Qurud litten an diesen Stoffwechselstörungen. Wir nehmen daher an, dass diese Tiere bereits in Gefangenschaft geboren wurden. Vermutlich wurden sie vor Ort gezüchtet, um die Nachfrage an Tieren für Prozessions-, Orakel- und andere Kultzwecke zu decken“, so Peters weiter.

Skelettdeformationen und -pathologien bei Affen kennen Forscher:innen auch von anderen Tierfriedhöfen, etwa aus den mehr oder weniger zeitgenössischen mittelägyptischen Tiernekropolen von Tuna el-Gebel und Saqqara, und dem deutlich älteren oberägyptischen Fundort Hierakonpolis (4.000-2.500 vor Chr.). Der Vergleich der Pathologien sowie der Alters- und Geschlechtsverteilung mit ähnlichen Daten aus Saqqara und Tuna el-Gebel zeigt viele Parallele, was auf vergleichbare Haltungsbedingungen in Gefangenschaft hindeutet.

Weitere Forschungen

Um noch weitere Details über Haltung und Herkunft der altägyptischen Paviane zu erfahren, sind zusätzliche Analysen notwendig. Die Autoren schlagen zum Beispiel vor, detaillierte Untersuchungen der Mikrobiome im Zahnstein vorzunehmen, um Einblicke in die Zusammensetzung der Ernährung der Tiere sowie die Gegenwart von Mikroorganismen in der Mundhöhle zu gewinnen. Die Archaeozoolog:innen möchten ebenso versuchen altDNA aus den Pavianknochen zu extrahieren. Die genetischen Analysen könnten zeigen, wo die Tiere in freier Wildbahn gefangen wurden sowie ob und wie eine Pavianzucht vor Ort stattfand.

Publikation
Van Neer W, Udrescu M, Peters J, De Cupere B, Pasquali S, Porcier S (2023) Palaeopathological and demographic data reveal conditions of keeping of the ancient baboons at Gabbanat el-Qurud (Thebes, Egypt). PLoS ONE 18(12): e0294934. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0294934

Kontakt
Prof. Dr. Joris Peters
Lehrstuhl für Paläoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tiermedizin der LMU München und
Staatssammlung für Paläoanatomie (SNSB-SPM)
Tel: +49 (0)89 / 2180 – 5711
E-Mail: peters@snsb.de