Späte Vegetarier
LMU & Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie
Die Sauropoden entwickelten sich in der Evolution der Dinosaurier zu pflanzenfressenden Kolossen – mit einer deutlich veränderten Gehirnstruktur. Am Anfang standen jedoch kleine und wendige Fleischfresser.
Sie gelten als die größten Lebewesen, die jemals die Erde bevölkert haben – bis zu 40 Meter lang und 90 Tonnen schwer. Offenbar waren die Sauropoden ein recht erfolgreiches Modell der Evolution, sie bildeten eine artenreiche und weitverbreitete Gruppe von Pflanzenfressern. Die Tiere hatten einen kleinen Schädel, einen langen und beweglichen Hals, mit dem sie auch an den Baumwipfeln äsen konnten, und gigantische Körper, die allen Fressfeinden entwachsen waren. Weit mehr als 100 Millionen Jahre hielten sie sich auf der Erde, bis ein Massensterben den Sauriern den Garaus machte.
Zu ihren Vorläufern in einer direkten Entwicklungslinie aber gehören Fleischfresser wie etwa Saturnalia tupiniquim, ein früher Saurier von der Größe eines Wolfs. Dafür haben LMU-Wissenschaftler zusammen mit brasilianischen Kollegen nun weitere Belege gesammelt. Schon länger gab es Hinweise darauf, die auf der Untersuchung von Zahnresten der Fossilien beruhten. Jetzt haben die Paläontologen Mario Bronzati und Oliver Rauhut von der LMU und der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie aus Schädelfunden mithilfe von Computertomographien (CT) die Grobstruktur des Gehirns rekonstruiert und daraus zumindest auf eine omnivore Lebensweise geschlossen. Danach hätten sich die Saurier zumindest sowohl von Fleisch als auch Pflanzen ernährt, wenn nicht gar vollständig von Beutetieren. Von ihrer Arbeit berichten die Wissenschaftler in Scientific Reports, einem Open-Access-Ableger des renommierten Fachblattes Nature.
Die Relikte von Saturnalia tupiniquim wurden bereits vor rund 20 Jahren entdeckt. Sie stammen aus Brasilien, aus einer Gesteinsformation aus der späten Trias; sie sind etwa 230 Millionen Jahren alt. Es sind die bislang ältesten Knochen eines Sauriers, aus denen sich nun erstmals mit moderner Technik am Computer der Schädel – und damit auch die Grobstruktur des Gehirns – rekonstruieren ließ, schreiben die Forscher.
Die Evolution der sogenannten Sauropodomorphen, zu denen das untersuchte frühe Saurierexemplar gehört, und der Sauropoden ging einher mit tendenziell längeren Hälsen sowie einer Verkleinerung der Schädel im Vergleich zur Körpergröße – und damit auch mit einer Verkleinerung des Gehirns. Saturnalia tupiniquim steht am Anfang dieser Entwicklungslinie. Doch anders als bei den Sauropoden ist bei dem kleinen Vorfahren ein bestimmter Bereich des Kleinhirns besonders ausgeprägt: Flocculus und Paraflocculus, wie die Areale in der Fachsprache heißen, spielen eine wichtige Rolle bei der Kontrolle von Bewegungen des Nackens und des Kopfes. Obendrein sind sie wichtig für den Gleichgewichtssinn und die Stabilisierung des Gesichtsfeldes.
Diese Features, so argumentieren Bronzati, Rauhut und ihre Kollegen, ermöglichten den Tieren eine räuberische Lebensweise. Sie konnten sich anders als die Sauropoden behende auf zwei Beinen fortbewegen, sie konnten ihre Beute jagen und packen – dank schneller Bewegungen von Hals und Kopf sowie einer präzisen Blickkontrolle. Mit solch CT-gestützter Struktur-Rekonstruktion von Sauriergehirnen, so hoffen die Forscher, ließe sich die womöglich ungewöhnliche Sauropoden-Evolution noch vollständiger nachzeichnen. (Text: LMU Pressestelle)
Nature Scientific Reports 2017
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