Fossilfundstelle Wattendorf: Neuer Pterosaurier mit Hunderten winzigen Hakenzähnen entdeckt

Naturkundemuseum Bamberg

  • Forscher:innen entdeckten eine ungewöhnliche neue Flugsaurierart mit über 400 Zähnen, die wie die Zinken eines Nissenkamms aussehen.
  • Der neuen Pterosaurier stammt aus den Plattenkalken der oberjurassischen Fossil-fundstelle Wattendorf und watete vor rund 150 Millionen Jahren durch die Lagunen des heutigen Süddeutschlands
  • Dem verstorbenen ehemaligen Museumsleiter des Naturkundemuseums Bamberg und Koautor der Studie Dr. Matthias Mäuser zu Ehren, wurde der neue Flugsaurier Balaenognathus maeuseri genannt.

Das fast vollständige Skelett des neu entdeckten Flugsauriers wurde aus den Oberjura-Plattenkalken von Wattendorf im Landkreis Bamberg geborgen und nun von deutschen und englischen Paläontologen unter der Federführung der Universität Portsmouth wissenschaftlich beschrieben. Die Kiefer des neuen Pterosauriers sind sehr lang und mit über 400 kleinen, hakenförmigen Zähnen mit winzigen Zahnzwischenräumen besetzt – ähnlich wie bei einem Nissenkamm. Der lange Kiefer ist nach oben gebogen wie bei einem Säbelschnäbler, am Ende läuft er aus wie ein Löffelschnabel. Das Tier erhielt den wissenschaftlichen Namen Balaenognathus maeuseri, dabei bedeutet der Gattungsname übersetzt „Walkiefer“, da der neue Pterosaurier vermutlich wie ein Bartenwal seine Nahrung filterte. Der Artname wurde zu Ehren von Dr. Matthias Mäuser ausgewählt, dem ehemaligen Leiter des Naturkundemuseums Bamberg (SNSB Regionalmuseum) und Mitautor der Studie, der leider während der Arbeit an der Veröffentlichung im August 2021 verstarb.

Bemerkenswert finden die Paläontolog:innen um Prof. David Martill von der Universität Portsmouth die besondere Form der Zähne: „Einige Zähne haben einen Haken am Ende, was so zuvor noch nie bei einem Pterosaurier gesehen wurde. Balaenognathus maeuseri nutzte diese kleinen Haken vermutlich, um die winzigen Krabben zu fangen, von denen sich der Pterosaurier wahrscheinlich ernährte“, so der Hauptautor der Studie.

Die Zähne des neuen Pterosauriers lassen auf eine für Flugsaurier außergewöhnliche Ernährungsweise schließen: Er benutzte wohl seinen löffelförmigen Schnabel, um das Wasser zu trichtern, und dann seine Zähne, um überschüssige Flüssigkeit wieder herauszupressen, wobei die Beute in seinem Maul hängen blieb. Wahrscheinlich watete das Tier vor 154 Millionen Jahren durch die flache Lagunenlandschaft der heutigen Frankenalb, saugte winzige Garnelen und Ru-derfußkrebse ein und filterte diese dann mit seinen Zähnen heraus.

Entdeckt wurde der Fund eher zufällig, als Paläontolog:innen einen großen Kalksteinblock bargen, der Krokodilknochen enthielt. Der hervorragende Erhaltungszustand des Flugsauriers lässt darauf schließen, dass sich sein Kadaver in einem sehr frühen Stadium der Verwesung befunden haben muss. Alle Gelenke des Flugreptils, einschließlich der Bänder, waren noch im Zusammenhang. „Das Tier muss fast unmittelbar nach seinem Tod im Sediment begraben worden sein“, vermutet Prof. David Martill. Der Artikel erschien kürzlich im wissenschaftlichen Journal der Paläontologischen Gesellschaft PalZ – Die Paläontologische Zeitschrift.

Der Flugsaurier gehört zu einer Familie von Flugsauriern namens Ctenochasmatidae, die bereits aus den Plattenkalken des Altmühltals um Solnhofen und Eichstätt bekannt sind. Seit der Beschreibung des ersten Flugsauriers aus diesem Gebiet im 18. Jahrhundert wurden Überreste von hunderten dieser fliegenden Reptilien entdeckt, was Bayern zu einem der reichsten Pterosaurierfundgebiete der Welt macht.

In dem Kalk- und Dolomitsteinbruch der Firma Andreas Schorr bei Wattendorf im Landkreis Bamberg wurden bereits im Jahr 2000 sehr fossilreiche Plattenkalke der oberen Jura-Zeit entdeckt, die mit den Solnhofener Plattenkalken vergleichbar sind. Seit dem Jahr 2004 führt das Naturkundemuseum Bamberg dort wissenschaftliche Grabungen durch, durch die inzwischen eine große Anzahl wissenschaftlich wertvoller Wirbeltierfossilien geborgen wurden. „Die Fossillagerstätte Wattendorf ist etwa vier Millionen Jahre älter als alle anderen Plattenkalke in Bayern, viele der gefundenen Fossilien sind daher bisher unbekannte Arten, die für uns Paläontologen besonders spannend sind“, sagt Dr. Oliver Wings, der neue Leiter des Naturkundemuseums Bamberg. „Wir hoffen sehr, auch in Zukunft diese einmaligen Funde weiter bergen und wissenschaftlich untersuchen zu können.“ Etliche bemerkenswerte Wattendorf-Funde sind im Naturkundemuseum Bamberg ausgestellt, darunter auch der neue Flugsaurier, der nun den schönen Namen Balaenognathus maeuseri trägt.

Publikation:
Martill, D.M., Frey, E., Tischlinger, H. Mäuser, M., Rivera-Sylva, H.E. & Vidovic S.U. A new pterodactyloid pterosaur with a unique filter-feeding apparatus from the Late Jurassic of Germany. PalZ (2023). https://doi.org/10.1007/s12542-022-00644-4

Kontakt:
Dr. Oliver Wings
Naturkundemuseum Bamberg
E-Mail: wings@snsb.de
Tel.: 0951 8631 246

(Bild oben: Artwork by Megan Jacobs)