Biodiversity Genomics Europe: Europäisches Forscher-Konsortium will den Verlust der biologischen Vielfalt aufhalten

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Zoologische Staatssammlung München

Europäische Biodiversitätsforscher:innen starten ein einzigartiges Gemeinschaftsprojekt, um die Biodiversitätskrise mit Hilfe von DNA-Daten zu bekämpfen. Die Bündelung von molekularbiologischen Analysemethoden, welche auf genomischen Daten und DNA-Barcoding basieren, soll eine neue Grundlage schaffen, um die biologische Vielfalt sowie die Gründe für den massiven Artenschwund auf der Erde besser zu verstehen. Die nun vorgestellte gesamteuropäische Initiative Biodiversity Genomics Europe (BGE) will auf dem Gebiet der globalen Biodiversitätsforschung wegweisend sein – vergleichbar dem Humangenomprojekt in der Medizin. Die Zoologische Staatssammlung München (SNSB-ZSM) ist als Projektpartner mehrerer nationaler sowie europäischer DNA-Barcoding Initiativen an BGE beteiligt.

Die Erde steckt mitten in einer Biodiversitätskrise. Die Zeit läuft, eine von vier Arten auf unserem Planeten ist bereits vom Aussterben bedroht. Dieser Verlust gefährdet Lebensgrundlagen, die Nahrungsmittelversorgung sowie wichtige Wasser- und Nährstoffkreisläufe. Im Kampf gegen den beispiellosen Artenschwund und die Zerstörung der Ökosysteme ist der Aufbau von Wissen von entscheidender Bedeutung: Unser Verständnis davon, wie Leben auf der Erde funktioniert und auf Umweltbelastungen reagiert ist in vielen Bereichen noch völlig unklar. Ein neu gegründetes Konsortium von Wissenschaftler:innen aus ganz Europa sieht die Lösung zur Beantwortung dieser Fragen in der Genomik. Die Initiative Biodiversity Genomics Europe (BGE) bündelt europaweit Expert:innen, um durch genomische Daten einen Quantensprung in der Biodiversitätsforschung zu schaffen.

Trotz jahrhundertelanger wissenschaftlicher Forschung warten schätzungsweise 80 % der Arten der Erde immer noch auf ihre wissenschaftliche Entdeckung und Beschreibung. Selbst bei beschriebenen Arten ist es oft schwierig, diese anhand ihrer Merkmale zu unterscheiden. Hinzu kommt, dass Interaktionen innerhalb und zwischen Arten sowie zwischen Arten und ihrer Umwelt ein äußerst komplexes Bild unserer Lebewelt zeichnen. Das neue BGE-Konsortium möchte diese Aspekte der Biodiversität erforschen und verstehen, wie Arten und Artgesellschaften auf Umweltveränderungen reagieren. Die Initiative verbindet hierfür die beiden grundlegenden DNA-basierten Technologien DNA-Barcoding und Genomsequenzierung und führt die europäischen Expert:innen in diesen Gebieten zusammen.

DNA Labor

Auch die Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB) sind Teil des BGE-Konsortiums. Die Zoologische Staatssammlung München (SNSB-ZSM) ist an mehreren nationalen sowie internationalen DNA-Barcoding Initiativen aktiv beteiligt. Sowohl als einer der wichtigsten Lieferanten von Biodiversitätsdaten für die globalen DNA-Datenbanken, als auch mit der Expertise ihrer Forscher:innen, die in vielen Bereichen der Biodiversitätsforschung aktiv sind. Ihre aktuellen Projekte German Barcode of Life (GBOL III: Dark Taxa), BIOSCAN-Germany sowie BIOSCAN-Europe haben zum Ziel mittels DNA-Barcoding alle deutschen bzw. europäischen Tierarten zu erfassen sowie die wissenschaftlichen Daten nachhaltig zu archivieren und zu pflegen. „Die ZSM erstellt bereits seit vielen Jahren umfassende DNA-Barcode-Bibliotheken der deutschen Fauna. Wir analysieren insbesondere verschiedenste Insektengruppen wie z.B. Schmetterlinge, Käfer oder Wanzen. In unseren Analysen überrascht uns immer wieder der hohe Anteil an noch unentdeckter Artenvielfalt bei einigen dieser Gruppen – sogar direkt vor unserer Haustür. In der groß angelegten europäischen Initiative wollen wir gemeinsam diese Wissenslücke schließen“, sagt Michael Raupach, Leiter der Sektion Hemiptera (Wanzen, Zikaden, Pflanzenläuse, Heuschrecken) an der ZSM.

Beim DNA-Barcoding werden kurze DNA-Sequenzen analysiert, um zwischen Arten zu unterscheiden. Mit modernen genetischen Sequenzierungstechniken hat das DNA-Barcoding das Potenzial, die Bestandsaufnahme des Lebens auf der Erde zu beschleunigen und eine Grundlage für die globale Überwachung der Ökosysteme zu schaffen.

Die Genomsequenzierung bestimmt die Reihenfolge der DNA-Nukleotide – die Bausteine des genetischen Codes – im Gesamtgenom einer bestimmten Art. Dies ermöglicht es Wissenschaftler:innen, Gene und andere Merkmale eines Genoms zu identifizieren und zu lokalisieren. Auf diese Weise erhält man ein vollständiges Bild davon, wie biologische Systeme funktionieren und wie Arten auf Umweltveränderungen reagieren und sich an sie anpassen.

Das 21-Millionen-Euro-Projekt Biodiversity Genomics Europe (BGE) wird von der Europäischen Kommission, Großbritannien und der Schweiz ko-finanziert und bis 2026 laufen. Es bringt Organisationen des BIOSCAN Europe DNA-Barcoding Konsortiums (104 Partnerinstitutionen aus 29 Ländern) und des ERGA-Konsortiums zur Genomsequenzierung (European Reference Genome Atlas) (709 Mitglieder in 37 Ländern) zusammen.

Weiterführende Informationen:

Kontakt:
PD Dr. Michael Raupach, Zoologische Staatssammlung München
Münchhausenstr.21, 81247 München
Tel: 089 8107 145, E-Mail: raupach@snsb.de