Gefährdete Pflanzenarten in Bayern

Einzelne Erfolge und leider viele weitere Verschlechterungen

Botanische Staatssammlung München In Kooperation und mit Mitteln des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) wird derzeit von Wissenschaftlern der Botanischen Staatssammlung München (SNSB-BSM), sowie ehrenamtlichen Botanikern und Kartierern aus Bayern eine neue Rote Liste der gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen Bayerns erarbeitet. Dabei soll die Entwicklung der Bestände seltener und bedrohter Pflanzenarten vor allem in den letzten 30 Jahren berücksichtigt werden. Es gibt einzelne erfreuliche Nachrichten von Arten, die noch vor 20 Jahren am Rande des Aussterbens standen, deren Bestände sich aber dank gezielter Artenhilfsprogramme in Bayern gut erholt haben. Dem Großteil der gefährdeten Pflanzenarten Bayerns geht es unverändert schlecht, oder der Zustand hat sich seit dem Erscheinen der letzten Roten Liste Bayerns im Jahr 2003 sogar deutlich verschlechtert.

In Bayern kommen fast 5.000 verschiedene Arten von Farn- und Blütenpflanzen vor, davon 3.156 natürlich als einheimische (indigene) Arten, der Rest als sogenannte Neophyten und Adventivflora, also vom Menschen absichtlich oder unabsichtlich eingeschleppte Neubürger unserer heimischen Flora. Diese Artenzahlen sind bekannt aus der letzten Inventarisierung der bayerischen Flora, die 2014 (und aktualisiert 2018) federführend veröffentlicht wurde durch Prof. Lenz Meierott und Dr. Wolfgang Lippert und die Bayerische Botanische Gesellschaft (BBG e.V.). Allerdings sind bei vielen Arten deren aktuelle Bestandszahlen, Gefährdung und Bestandsentwicklung nur unzureichend bekannt, die letzten Daten dazu wurden im Rahmen der letzten Roten Liste der Pflanzen Bayerns 2003 erhoben. Eine neue, aktualisierte Rote Liste der natürlich in Bayern vorkommenden Farn- und Blütenpflanzen (Neophyten werden explizit ausgeschlossen) wird seit 2017 erarbeitet und soll Anfang 2022 veröffentlicht werden. Dabei wird besonderes Augenmerk auf diejenigen Pflanzenarten gelegt, die im Bestand gefährdet sind, also solche, die in Bayern als „vom Aussterben bedroht“ (Rote-Liste Kategorie 1), „kritisch gefährdet“ (RL-Kategorie 2), oder „gefährdet“ (RL-Kategorie 3) gelten.

Der Abwärtstrend vieler gefährdeter Pflanzenarten in Bayern ist wie in ganz Deutschland leider ungebremst, wie die neuen Daten belegen. So müssen z.B. viele Pflanzenarten, die 2003 noch als „kritisch gefährdet“ eingestuft wurden, nun bereits in die höchste Gefährdungskategorie „vom Aussterben bedroht“ gestellt werden, weil sich ihre Bestände weiter verkleinert haben, so dass ein Aussterben dieser Pflanzenarten in Bayern in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten wahrscheinlich wird.

„Bayern ist das botanisch artenreichste Bundesland in Deutschland – es gibt sogar einige Pflanzenarten die weltweit nur in Bayern vorkommen und sonst nirgends. Leider finden sich all diese Endemiten und botanischen Seltenheiten mittlerweile in der Roten Liste der bedrohten Arten“, so der an der Ausarbeitung der neuen Roten Liste beteiligte Wissenschaftler Dr. Andreas Fleischmann von der Botanischen Staatssammlung München (SNSB-BSM), und Erster Vorsitzender der Bayerischen Botanischen Gesellschaft. Zusammen mit sechs freiberuflichen Botanikern erarbeitet er derzeit das Inventar und den Zustand der seltenen und gefährdeten Pflanzenarten Bayerns. Und da sieht es in vielen Fällen leider nicht gut aus. „Die seltene Gelbweiße Strohblume, Pseudognaphalium luteoalbum, konnte an keinem der nur 6 bekannten Wuchsorte in Bayern noch gefunden werden, die Art ist bei uns wohl ausgestorben“, sagt Jürgen Klotz aus Regensburg, der viele der bekannten Vorkommen seltenster Pflanzenarten im Auftrag des LfU nachkartiert hat. „Auch die Sand-Binse, Juncus tenageia, eine sehr seltene Pflanzenart, die in Bayern nur im Erlanger Teichgebiet vorkommt, ist an 9 von den 10 bekannten Wuchsorten verschwunden, in der sie in den 1990er und frühen 2000er Jahren noch vorkam“, so Klotz weiter. Leider könnte er noch viele solcher Beispiele nennen. Nahezu jede zweite von ihm nachkartierte Pflanzenart, die schon 2003 in der Roten Liste Bayerns als „vom Aussterben bedroht“ gelistet wurde, hat sich im Bestand in den letzten 20 Jahren nochmals verringert.

Es gibt natürlich schon seit Jahrzehnten Bemühungen, diesem Abwärtstrend bei der Artenvielfalt entgegenzuwirken. „Eine in vielen Fällen gut wirkende Maßnahme sind die Artenhilfsprogramme“, so Marcel Ruff vom neu gegründeten Bayerischen Artenschutzzentrum des LfU. Er koordiniert die botanischen Artenschutzprogramme in ganz Bayern. „Aber in den meisten Fällen hängen die Erfolge solch gezielter Artenhilfsprogramme vom Einsatz weniger Einzelpersonen ab, die kontinuierlich und akribisch Biotoppflege und Schutzmaßnahmen betreiben. Deren Einsatz kann man für den Artenschutz in Bayern gar nicht hoch genug loben – ohne deren Engagement hätten wir schon viele botanische Kostbarkeiten komplett verloren“, so Ruff.

Ein solches Erfolgsbeispiel botanischen Artenschutzes ist die weißblühende Frühlings-Kuhschelle, Pulsatilla vernalis. Sie kommt in Deutschland nur noch in Bayern vor (in allen anderen Bundesländern ist sie bereits ausgestorben), und dort schon immer nur an wenigen Stellen mit sauren Böden – außerhalb der Alpen vor allem in lichten Sand-Kiefernwäldern in Ostbayern. Martin Scheuerer kümmert sich seit über 20 Jahren um Artenhilfsmaßnahmen zum Erhalt der außeralpinen Bestände dieser seltenen Art. Die Bestände an 6 Wuchsorten in den Sandgebieten im Landkreis Kelheim haben sich mittlerweile erfreulicherweise vergrößert, ein Überleben dieser seltenen Pflanzenart wird aber auch langfristig auf die Pflegemaßnahmen des botanischen Artenschutzes angewiesen sein.

Weiterführende Literatur:
Scheuerer, M. (2020). Artenhilfsmaßnahmen zu Pulsatilla vernalis in Bayern außerhalb der Alpen – eine Zwischenbilanz. Hoppea, Denkschriften der Regensb. Bot. Gesellschaft 81 (im Druck).

Zehm, A., Klotz, J., Horn, K., Wecker, M., von Brackel, W., Blachnik, T., von Brackel, J., Buchholz, A., Diewald, W.,Elsner, O., Feulner, M., Kohler, U., Lausser, A., Radkowitsch, A., Ruff, M., Schön, M., Wagner, A., Wagner, I. & Wimmelbücker, A. (2020). Rückgang seltenster Pflanzenarten ist ungebremst – Freilanduntersuchungen zur Bestandsentwicklung vom Aussterben bedrohter Gefäßpflanzenarten Bayerns. Berichte der Bayerischen Botanischen Gesellschaft 90: 5-42.

Kontakt:
Dr. Andreas Fleischmann
Botanische Staatssammlung München (SNSB-BSM)
Menzinger Str. 67, 80638 München
Tel.: 089 17861 240
E-Mail: fleischmann@snsb.de